Die Rose spricht: Ich bin die
liebe Blume,
Ich bin die Lust, der Schmerz,
das Licht, das Leben,
Nach mir mußt, Dichter, Blick
und Hand du heben,
Willst eingehn du zu wahrem
Menschentume!
Der Lorbeer spricht: Ich führ’
empor zum Ruhme,
Ich kann allein das große
Schicksal weben,
Nach mir, der Menschheit
Höchstem, mußt du streben,
Ich leit’ zu fernster Nachwelt
Heiligtume!
Der Dichter spricht: Das neidlichste
der Lose
Erwähl’ ich denn, die Krone
alles Lebens!
Und nach dem Lorbeer greift er
kühnen Strebens.
Das Schicksal spricht: Und
dein ist auch die Rose!
Nur rosen-duftberauscht und
–dornzerstochen,
Nicht anders wird des Dichters
Reis gebrochen.
Bevor dein Haupt am Abend
sinkt ins Kissen,
Versäume an dich selber nie
die Frage:
was tat ich Gutes am
verfloss’nen Tage?
Was hat mir vorzuhalten mein
Gewissen?
War ich in reiner Fahrt
beflissen?
Führt meinethalben niemand
bitt’re Klage?
Verschönerte ich mein’ und
femde Lage?
Ward reicher ich an Bildung
und an Wissen?
Wenn jeder also täte stets und
dächte,
Und täglich, nie der Einkehr
überdrüssig,
Vor seinen eignen Richterstuhl
sich brächte:
Dann wären Beicht’ und
Kanzelpredigt müßig,
Und vor der Andacht, die
allein die rechte,
Sänk’ Pfaff’ und Kirche hin
als überflüssig.
Ich sah schon in den buntesten
Gestalten
Die Arten all des Schönen
dieser Welt;
Ich sah zur Nacht das hehre
Sternenzelt,
Im Lenz der Knospe wunderzart
Entfalten;
Ich schaute Ströme, die zum
meere wallten,
Das Schneekryställchen, das
zur erde fällt,
Den Blitz gewahrt’ ich, der
die Nacht erhellt,
Ich hört’ ob meinem Haupt
Gewitter schalten.
Ich sah und hört’ das Schöne
jeder Art,
Und einem Glücklichen der
Erdensöhne
Bleibt im Gedächtnis ewig das
bewahrt.
Doch schöner fand ich nichts,
denn Menschenschöne,
In jungen Angesichtern
offenbart,
Und als die hehre Wundermacht
der Töne.
Wenn bei Musik und schäumendem
Pokal
Die Jugend sich vereint zu
Festgelagen,
wenn laut die Gläser
aneinander schlagen,
Und heller Jubel herrscht im
ganzen Saal:
Dann fühlt die trunk’ne Seele
jedesmal
In große Zeiten sich zurück
getragen,
Sie träumt von Hellas’
lebenswarmen Tagen
Und von der Griechen Lust beim
Bacchanal.
Dann schweifen meine Blicke in
der Runde,
Bathyll’ und Smerdis such’ ich
vor Verlangen,
Sie findend in den Schönsten
aus dem Bunde.
Mit Griechenglut, halb geistig
und halb physisch,
Versuch’ ich liebend mich an
sie zu hangen,
Und voll des Gottes jauchz’
ich dionysisch!
Allabendlich, wann Helios
heimgegangen
Und keusch Selene führt den
Sternenreigen,
seh’ ich auf Latmos’ Höhn sie
niedersteigen,
Wo süß der Liebste schläft in
holdem Prangen.
Und über ihn mit heißem
Liebverlangen
Seh’ ich die Göttin
sehnsuchtsvoll sich neigen,
Und nur der Regen stört das
heil’ge Schweigen
Der Küsse auf Endymions Mund
und Wangen.
Auch meine Seele, ging der Tag
zu Grabe,
Ersteigt ihr Geistes-Latmos
gleich Selenen,
In wildem Fieberdurst nach
Liebeslabe.
Doch dem Geliebten ruft sie
dort vergebens!
Kein holder Schläfer winkt des
Herzens Sehnen
Auf diesem Latmos meines
Liebeslebens!
Wer nie, dem Freunde fern auf
weite Meilen,
Nach ihm nur lenkte seiner
Träume Flug,
Wer nie sein liebes Bild im
Busen trug,
Im Geist wie zum Altar davor
zu eilen;
Wem nie zu ihm ein Heer von Sehnsuchtspfeilen
Wie nach dem Süd entflog der
Schwalben Zug,
Wem lauter nie das Herz im
Glauben schlug,
Daß so der Freund im Geist mag
bei ihm weilen:
Der hat der Freundschaft
Gipfel nie gekannt,
Dem ward sie nur in flacher
Allgemeinheit,
Nie hat er selig Liebe sie
genannt.
Doch wer sie beide trug in ihrer
Reinheit,
Der Liebe Kette und der
Freundschaft Band,
Der weiß: In höchsten Sphären
sind sie Einheit.
E.
S.
Ob Tag, ob Nacht, ob
Sonnenschein, ob Regen,
Um dich durcheil’ ich alle
Plätz’ und Gassen,
Um flüchtig wo ins Auge dich
zu fassen,
Aufs neu’ dein süßes Bild mir
einzuprägen.
An hundert Ecken steh’ ich
deinetwegen,
Und kann und kann von meinem
Tun nicht lassen,
Vor deiner Schönheit dürstet’s
mich zu prassen,
So oft der Zufall mir dich
führt entgegen.
Wenn meine Augen dich des Tags
nicht schauten,
Vermögen sie des Nachts nicht
zuzufallen,
Sie suchen schlaf- und schlummerlos
den Trauten.
Und wenn sie sich an deinem
Bild erbauten,
Muß noch im Traum zu dir ich
pilgerwallen,
Wie nah dem gold’nen Vlies die
Argonauten.
Was kann ich dir mit meiner
Freundschaft geben?
So seufzest du aus tiefstem
Herzensgrunde,
Als wir zum erstenmale, Mund
an Munde,
Einander schwuren Treu’ und
Lieb’ fürs Leben.
Und was kann ich wohl dir für
Schätze heben?
So fragt’ ich dich in gleicher
Feierstunde,
Als wir vereint in liebesel’gem
Bunde
Und ich dein herz an meinem
hörte beben.
Drauf du: Gib deinen Geist
mir, gib Gedanken,
Daß meine Welt der deinen sich
vermähle,
Erweit’re meines Wissens,
Denkens Schranken!
Drauf ich: Nimm’s hin, nimm
was du willst, erwähle,
Nur lehre du mich, mich
emporzuranken
Zu reinen Höhn an deiner
schönen Seele!
Hältst du umschlungen mich mit
deiner Linken,
Ich mit der Rechten dich, mit
ihr zu prunken,
Und läßt du so, von süßem
Glücke trunken,
Dein liebes Haupt aufmeine
Schulter sinken;
Betracht’ ich dann, mir hehrsten
Rausch zu trinken,
dein schönes Aug’, erstrahl im
Sehnsuchtsfunken,
Und stehn wir Schläf’ an
Schläfe traumversunken,
Blind für der Erde Treiben,
Locken, Blinken;
Dann, fühlend, was uns einzig
könnte taugen,
weiß ich nur einen Wunsch mir
ans Geschick,
Den gleichen, den ich les’ aus
deinen Augen:
Töt’ uns sogleich! Laß uns im
Nu versteinern
Zum Bild, denn schon der
nächste Augenblick
Muß dieses Übermaß von Glück
verkleinern!
Böt’ mir ein Gott, mir einer
Liebe Kuß
Durch ein paar Stunden meines
Seins zu jagen,
Bis nimmer ich die Lust vermag
zu tragen
Und an der Wonne Last
verhauchen muß,
Mir auszurenken seinen
Rauschgenuß
Zu einem Leben von nur
vierzehn Tagen,
Und müßt’ ich dann der Erde
Abschied sagen,
Und ging’ mein junges Leben
dann zum Schluß;
Doch böt’ er mir, wollt’ ich
auf dies verzichten,
Ich würde hundert
Meisterdramen dichten,
Wovon das schwächste Shakespeare müßt’ vernichten:
Mir schüfe wahrlich nicht die
Wahl Beschwerde;
Ich nähm den Kuß mit
jauchzender Gebärde,
Und schied’ beglückt, der
erste Gott der Erde!
Ich kann nicht, wie’s so
manche Menschen pflegen,
Mich wie in Watte wickeln in
ein Leid;
Ich kann nicht trauern, weinen
lange Zeit,
Nicht wie ein Kleinod meinen
Kummer hegen.
Ich setze Trotz entgegen
Schicksalsschlägen,
Der einzig uns von Schmerzes
Last befreit;
Gen Leid und Unstern ist kein
Mensch gefeit,
Doch im Verwinden liegt der
Menschheit Segen.
So hass’ ich jeglich Schöntun
mit dem Schmerz,
Und leid’ ich dennoch, ist
mein ganzes Streben,
Aufs neue zu erleuchten mir
das Herz.
Denn Leid verneint, entwertet
unser Leben,
Verkleint, vermindert, zieht
uns niederwärts:
Im Bacchanal das höchste
Seinserheben!
Einst dacht’ ich, dieses
Lebens Freuden, Lüste,
Könnt’ man nicht früh und
schnell genug genießen,
Des Glückes Strom könnt’ rasch
genug nicht fließen,
Und jedem Wunsch man gleich
willfahren müßte.
Heut’ ward ich klüger schon,
daß ich nicht wüßte,
Das Glück, das uns bestimmt,
muß langsam sprießen,
Soll nicht alsbald das Dasein
uns verdrießen,
Weil leer und ausgeschöpft
Fortunas Brüste.
Was ein Jahr dir versagt,
erhoff’s vom andern,
Doch wünsche nie, mit eins
dich auszuleben;
Du hast noch einen langen Weg
zu wandern!
Nichts bringt das Leben mehr,
das dich erfreue,
Wenn’s schon am Jüngling ganz
sich ausgegeben:
Denn Freude beut uns ewig nur
das Neue.
Die Breite spricht: Ich bin
das bunte Leben,
Der Maja Kleid mit
tausend-tausend Falten;
Mich mußt du schaun und stets
im Sinn behalten,
Ich kann allein dem Geiste
Reichtum geben.
Die Tiefespricht: Ich bin der
Wahrheit Weben,
Nur ich versteh’ der Mächte
tiefstes Walten
Die Schwester zeigt nur
schwindende Gestalten,
Ich lehr’ allein die wahren
Schätze heben.
Die Höhe spricht: Ich bin der
Gottheit Wesen!
Zu heil’gem Jauchzen müßt’ bei
mir genesen
Wer selbst der Schwestern
trautem Paar entflöhe.
Der Dichter spricht: Bereich’e
mich, o Breite!
Vergröß’re, Tiefe, mich! doch
aufwärts leite
Und licht- und
geistesheimwärts mich, o Höhe!
Warum ich oft in, was ich
schreib und dichte,
Gen Menschheit schleudre
meines Zornes Blitze,
Doch lebend keinem gern die
Haut nur ritze,
Ja manchen Fehl zu milden
Herzens richte?
Kehrt nicht der Priester, Gott
im Angesichte,
Gen seine scharen seiner Predigt
Spitze?
Und steigt er nieder von dem
hohen Sitze,
Ist’s nicht der Mensch, der
tröstende, der schlichte?
So muß der Künstler auch die Waffen
kehren
Gen Finsternis und Wahnsinn
und Verschuldung,
Soll er als Priester Gottes
Wort uns lehren.
Doch legt er nieder Meißel,
Griffel, Feder,
Dann spricht der Mensch zu
Menschen voller Duldung,
Der selber er bedarf und sie
und jeder!